Es war einmal eine Sammlung von Schuhen, die im Wald lebte. Es waren schöne Schuhe, teils aus hochwertigem, genarbtem Leder. Andere Schuhe wiederum hatten silberne Kappen oder waren mit Glitzersteinen versehen. Manche Schuhe wurden zum Wandern gemacht, andere für den Business-Auftritt, wieder andere für die Freizeit. Manche von ihnen hatten Absätze und waren sehr modisch. Doch unabhängig davon, für welchen Fuß oder Anlass die Schuhe gemacht wurden, sie verbrachten ihr Dasein abgeschieden im Wald. Den Waldbewohnern, den Hasen, Igeln, Rehen und Eulen, waren die Schuhe bekannt. Doch man konnte recht wenig miteinander anfangen. So war der gefütterte Winterschuh als Hasenbau zu klein und für die Eule, die immer hoch oben sitzen wollte, waren die Heels dann doch zu niedrig.
Die Schuhe hatten gehört, dass es weit entfernt einen Ort namens „Stadt” gibt, an dem sie ihren Zweck und Sinn würden erfüllen können, an dem sie von Menschen getragen werden und der Mensch sich an ihrem Aussehen, ihrer Bequemlichkeit und ihrer Beschaffenheit erfreut. „Endlich einen Sinn haben”, „endlich Anerkennung finden für all die Funktionen, die man als Schuh hat”, das wäre es, träumten die Schuhe. Doch wie sollte der Trupp von Schuhen an diesen Ort gelangen? Sie hatten doch keinen Träger. Sie hatten keine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn es sich ein menschlicher Fuß in ihnen bequem macht oder wie man läuft.
Familie Marienkäfer krabbelte zwar schon zum 200. Mal über einige der Schuhe, doch für echtes Getragenwerden war das natürlich kein Ersatz. So fristeten sie weiter ihr Dasein zwischen all den Waldbäumen und dem roten Laub.
Eines Abends, die Eulen wurden langsam putzmunter und die Wildtiere hatten sich bereits zum Schlafen verabschiedet, hörte man ein Rascheln im Laub. Ein Frau hatte sich auf den Weg in den Wald gemacht. Sie wollte frische Waldluft schnuppern und für paar lange Minuten die Ruhe fernab der Großstadt genießen, in der sie lebte. Zwar hatten die Schuhe zuvor noch nie einen Menschen erblickt, jedoch erkannten sie die Frau sofort als solchen und sie waren plötzlich sehr nervös. Was wäre, wenn die Frau sie entdeckt?
Bevor die Schuhe den Gedanken beenden konnten, wurde auch schon ein Paar von dem langhaarigen, menschlichen Wesen hochgehoben. „Warum werde ich hochgehoben und so intensiv angeschaut?”, dachte sich das Paar Schuhe. Die Schuhe begriffen schnell, dass sie nacheinander von dem weiblichen Menschen auf Optik, Verarbeitung und Materialien überprüft werden. Danach kam Schuhgröße und Passform dran. Das machte die Schuhe glücklich. Endlich interessierte sich jemand für ihre Eigenschaften als Fußwerk.
Die Frau nahm natürlich jeden einzeln Schuh mit! Die Schuh-Sammlung wurde in eine große Tasche gepackt. Dieses Erlebnis machte die Schuhe unglaublich happy, denn sie fühlten sich wie auserwählt und wie gekauft, als kämen sie aus einem Laden und nicht aus dem Wald. Ihr Glück könnten Sie erst fassen, als sie in ihrem neuen Zuhause ausgepackt und noch einmal von der Frau anprobiert wurden und dann neben „richtigen Stadt-Schuhen” im Schuhschrank stehen durften.
Jedes Paar wurde von der Frau regelmäßig getragen. Endlich erlebten die ehemaligen Waldbewohner, wie es ist, Schuh zu sein: Ausgeführt zu werden, bewundert zu werden und geschätzt für die Bequemlichkeit, Wärme, Wasserfestigkeit oder Optik. Die Sandale lernte schnell, was heißt eine Sandale zu sein: Viel Auslauf im Sommer. Der Schneeboot lernte, was es heißt ein Schneeboot zu sein usw. Die Schuhe waren glücklich und ihre Trägerin mit ihnen. Denn sie war stolz auf ihre neue Schuhsammlung, die sie auch auf ihrem Blog zeigte. Aber es wird immer ein Geheimnis bleiben, warum sie zueinander fanden.
Meine lieben Leser, ich hoffe, euch hat meine kleine Geschichte über Schuhe gefallen. Geschrieben wurde sie als Beitrag zum „Shoe Step of the Year” 2015 by Deichmann.
Fotos: echromatique..
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